In der Morgensonne

Frieda Jung

Köstliche Kindheitserinnerungen von jemandem erzählt, der sein Kinderherz hat bewahren können. In Kiaulkehmen, einem kleinen Dorf in Ostpreußen, hat sich das Leben nie verändert.

Das Dorf ist eine Oase der Ruhe und Geborgenheit, die Familie ist geschweißt und liebevoll. Die etwas steilen Traditionen werden ohne weiteres ertragen. Jeder kennt sich, man ist nicht reich, hilft sich aber gern gegenseitig ; man träumt von Gumbinnen, der Großstadt ; auf den Markt geht es zum benachbarten Nemmersdorf.

Einblick in eine versunkene Welt. Ein Text, der den Leser von heute nur zutiefst ergreifen kann.

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« Na Kinderchen, los – los », sagte Vater endlich zu Mutter, die an Hanna immer noch etwas zu stecken, zu zupfen, zu schmücken hatte. « Es ist jetzt wirklich Zeit! »
« Geht nur vor, wir holen euch in einer Minute ein! »
Als die beiden aus der Tür waren, legte Mutter beide Arme um Hanna. « Und was ich dich noch bitten wollt’, mein trautstes Kind – misch dich doch heut mal so recht fröhlich unter die Jungend! Was soll bloß aus dir werden, wenn du immer und immer so abseits stehst? »
Unser gutes Mutterchen sah in ihrem schwarzseidenen, « ganz neu umgeänderten » Trauungskleid und dem feinen, weißen « Spitzenaufsatz » auf dem glatten Scheitel so lieb und besorgt aus. Und sie redete die Sprache, die jener Zeit allgemein eigen.

Heut würde sie sagen: « Quäle dich nicht damit ab, mein Kind, etwas zu tun, was deiner innersten Natur widerstrebt! Hast du keine Freude an Tanz und Spiel – sieh doch, wieviel wundervolle Arbeit auf allen Wegen liegt. Greif zu, mein Kind, greif zu! – Wähle dir einen Beruf! »
Ganz gewiß, so würde unser Mutterchen heute sagen! Und Hanna würde den Maßliebchenkranz aus ihrem dunkelblonden Haar nehmen und so tief aufatmen, daß ihre zarte Gestalt ordentlich schwellen würde vor Kraft und Freude: eine Aufgabe, eine Aufgabe!
Aber wie’s damals in der Zeit und in unserm engen Dorfe lag, blieb der Maßliebchenkranz auf ihrer schlichten Haarkrone, und sie sagte nur leise: « Ich werd’ mich heute wirklich zusammennehmen, Mutterchen! »
Am Pillkuhnschen Hof holten wir Vater und Martha ein. Jetzt kam uns die Hochzeitsmusik bereits mit festem, klingendem Marschschritt quer übers Feld entgegengegangen. « Ich hatt’ einen Kameraden, einen bessern find’st du nit! »

Frieda Jung

Jung Frieda, 4. Juni 1865, Kiaulkehmen – 14. Dezember 1929, Insterburg
Als fünftes und jüngstes Kind eines Landschullehrers im Kreis Gumbinnen, Ostpreußen, genoß Frieda Jung den Segen einer umsorgten Kindheit. Früh verheiratet und schnell geschieden, verlor sie ihr einziges Kind kurz nach der Geburt. Wegen ihres schwachen Gesundheitszustands mußte sie früh ihren Job als Erzieherin aufgeben und widmete sich dem Schreiben. Ihre Bücher verhalfen ihr zu einem solchen Ruhm, daß sie 1925 die Ehrenbürgerschaft der Stadt Insterburg erhielt. Im Januar 1935 wurde ihr Heimatdorf zu ihrer Ehre in Jungort umbenannt. Es war aber kurz vor Ende der Welt. 1945 wurde Kiaulkehmen-Jungort für kurze Zeit Dunajewka, dann hörte es auf, zu existieren.

Inhaltverzeichnis

Vorwort
Sonnenaufgang
Das neue Nest
Die Religionsstunde
Die Versuchung
Wie’s früher war
Hanna
Die Weihnachtswünsche
Das Nachbarhaus
Die Schulvisitation
Unser Albert
« Es fiel ein Reif… »
Gesundung
Johannisabend
Die Vettern
Ottchen
Aus dem Konfirmandenjahr