Dies ist der Bericht einer besonders schweren Gefangenschaft, die dieser sensible Intellektuelle, von 1914 bis 1917, schmerzhaft erlebte.
Zunächst in Einzelhaft und in ernsthafter Gefahr als Deutscher und angeblicher Spion hingerichtet zu werden, später mit anderen Unglücklichen zusammengepfercht in einem Notlager, fand er Mittel und Wege sich Notizen zu machen, die er, um nicht entdeckt zu werden, dann doch vernichten musste.
Hier erzählt er seine traumatische Erfahrung in ihrer ganzen Unmittelbarkeit, die er nach Kriegsende rekonstruierte.
Was ich in Frankreich erlebte
Wie dem auch sei, ich möchte das Geständnis ablegen, daß ich kein Held gewesen bin, sondern klare Furcht empfunden habe. Jeden Abend habe ich mich mit dem Gedanken zur Ruhe gelegt, daß dieses vielleicht die letzte Nacht sein könnte. Denn die französischen Kriegsgerichte arbeiten in solchen Fällen mit einer Promptheit, die sonst nicht in den Gewohnheiten der Verwaltung liegt. Vormittags um elf erfährt der Delinquent, daß am selben Tage die Verhandlung ist; dann darf er eine halbe Stunde lang mit einem Offizialverteidiger sprechen; um ein Uhr ist die Verhandlung, die schnell vorübergeht, da man den Angeklagten kaum zu Worte läßt, und um drei Uhr kann, wenn alles gut klappt, der Betreffende im Graben der Festung erschossen werden.
Wie werde ich den Augenblick bestehen, wenn sie kommen, um mich abzuholen. Wenn draußen die Bajonette klirren? Der Riegel wird aufgestoßen; sie stehen im Gange, in Reihen aufmarschiert, alles kleine, plundrige Kerle in ihren ekelhaften roten Hosen, und alle die neugierigen Augen auf mich gerichtet. Ein Offizier, der wahrscheinlich einen Kneifer tragen wird, dirigiert das Manöver mit seinem gezogenen Degen (und während er schreit und fuchtelt, freut er sich schon darauf, wie er das heute Abend im Café du Commerce erzählen wird). Und nun den Fuß aufgehoben zum letzten Gange; und was ist das für ein schwarzer Schatten, der neben mir schreitet? Ach so, der Priester mit seinem Gebetbuch. Karree von Soldaten, Schnupftuch zum Augenverbinden; und dann allein dagestanden an der Mauer…
So male ich es mir immer wieder aus, auf der Pritsche liegend in der totenstillen Nacht. Dabei habe ich das Gefühl, als seien meine Glieder elefantendick geworden, und in meinen Ohren klingt es wie ein Hilferuf aus unermeßlich weiter Ferne.
Auburtin, Victor – Berlin, 5. September 1870, Partenkirchen, 28. Juni 1928.
Als Schriftsteller und Journalist französischer Abstammung arbeitete er, zu Beginn des ersten Weltkrieges, bereits seit 1911, als Korrespondent des Berliner Tageblatts in Paris. Wegen seiner deutschen Staatsangehörigkeit verhaftete man ihn am 2. August 1914 in Besançon, als er versuchte, in die Schweiz zu gelangen. Er wurde zunächst in Besançon und dann auf Korsika inhaftiert, nachdem alle Anklagen gegen ihn offiziell fallen gelassen worden waren, und musste drei Jahre lang eine schrecklich anstrengende Gefangenschaft durchleben. Aus gesundheitlichen Gründen entlassen, starb er 10 Jahre später, im Alter von 58 Jahren, an einer im Gefängnis erworbenen Erkrankung.
Vorwort
Präambel
In den Gefängnissen
Auf der Insel
Heraus